Das 15. Jahrhundert war für die Merseburger Domkirche ein Jahrhundert mit beeindruckender Kontinuität. Allein die drei Bischöfe Nikolaus Lubich, Johannes II. Bose und Thilo von Trotha vereinten 87 Regierungsjahre auf sich. Ihre Nähe zu den benachbarten Wettinern als Schutzfürsten des Hochstifts Merseburg sorgte für zusätzliche Stabilität, da sie sich bei Kriegszügen und Auseinandersetzungen gegenseitig unterstützten.
Chartularium magnum, um 1420
Das Domkapitel erlebte im 15. Jahrhundert einen Umbruch seiner Wirtschaft. Ländereien, die selbst bewirtschaftet worden, gab das Kapitel mehr und mehr gegen Zins aus. Es gab kaum noch Schenkungen von Ländereien, als vielmehr Stiftungen mittels Geldsummen, für die zinsbares Land oder Ewigzinse gekauft wurden. Dies machte es notwendig, die schriftliche Verwaltung zu erweitern. Das Chartularium magnum als erstes Kopialbuch des Domkapitels, hielt sämtliche wichtigen Urkunden fest und dokumentierte damit den Domkapitelsbesitz.
Markus Cottin, der Leiter des Domstiftsarchivs blättert für uns durch dieses außergewöhnliche Kopialbuch.
Abendmahlskelch, wohl 3. Drittel des 15. Jahrhunderts
Noch in Inventaren des 16. Jahrhunderts werden zahlreiche Kelche genannt, die für die Abendmahlsreichung an den verschiedenen Altären des Domes sowie für das Domkapitel genutzt wurden. Am Vorabend der Reformation sowie des Merseburger Domneubaus hatte die Liturgie in der Kathedrale ihre größte Vielfalt erreicht. Dazu gehörte eine besondere prachtvolle Ausstattung mit Abendmahlsgerät, Weihrauchfässern, Gewändern und liturgischen Büchern. Ein Abendmahlskelch hat sich aus dem 15. Jahrhundert erhalten und wird auch heute noch von der Domgemeinde genutzt.
Abendmahlskelch Details Abendmahlskelch
Markus Cottin stellt uns diesen besonderen Abendmahlskelch vor.
Das Domkapitel im 15. Jahrhundert
Das Domkapitel wurde in seiner Zusammensetzung offener. Der Dompropst Peter Sparnau war einer der ersten bürgerlichen Vertreter im Domkapitel. Die Schenkung seiner Bücher bedeutete einen großen Zuwachs für die Bibliothek des Domkapitels. War die bischöfliche Kammer in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch schwer belastet, gelang bald eine schrittweise Konsolidierung und sogar die Abrundung des Hochstiftsbesitzes durch den endgültigen Erwerb von Lauchstädt und Burgliebenau 1444.
Die wirtschaftliche und politische Orientierung der Merseburger Bischöfe war lokal ausgerichtet. Dies zeigt vor allem die Herkunft der Bischöfe aus angesehenen Stiftsadelsfamilien wie der Bose und von Trotha. Es gelang diesen, das Stiftsterritorium gezielt durch den Erwerb von Gerichtsrechten, Mühlen, Zinsen und Sattelhöfen zu verdichten und damit die zu erwartenden Einnahmen zu steigern. Insbesondere Bischof Thilo von Trotha konnte damit eine straffere Verwaltung schaffen und höhere Einnahmen erzielen. Diese bildeten die Grundlage für den Ausbau des Schlosses sowie des Domes im frühen 16. Jahrhundert.
Im 15. Jahrhundert hatte Merseburg durch die Einteilung in vier Ämter (Merseburg, Schkeuditz, Lützen, Lauchstädt) eine politische und wirtschaftliche Struktur erhalten, die bis 1815 Bestand haben sollte. Bischof Johannes II. Bose förderte in geistlicher Hinsicht die Reform des Petersklosters. Sein Nachfolger Johannes III. von Werder trat entschieden dem Konkubinat entgegen. Thilo von Trotha verwaltete sein Bistum durch häufig ausgehende Druckschriften effizient. Die Merseburger Bischöfe nahmen in jener Zeit intensiv die Reformbemühungen der Kirche wahr und setzten diese individuell im Bistum um. Dabei ist festzustellen, dass die Zahl der Neustiftungen und damit der Nebenaltäre noch nie so hoch war wie im ausgehenden 15. Jahrhundert. So gab es regelmäßig Predigten im Dom, Prozessionen und eine weit ausgebreitete Aktivität bei der Weihe von Klerikern.
Durch die Gründung der Universität Leipzig 1409 war der Merseburger Bischof gleichzeitig Kanzler dieser Hohen Schule. Seit 1421 waren zwei Merseburger Domherrenstellen fest mit zwei Professoren der Universität Leipzig verknüpft. In der Folge gab es immer mehr Domherren, die in Leipzig studiert hatten. Die Bischöfe rekrutierten das Personal für ihre Verwaltung aus den Studenten der Universität. So entwickelte sich Merseburg im 15. Jahrhundert zu einem geschlossenen Territorium, dessen Bischöfe ohne reichspolitischen Ambitionen ganz auf die Ausgestaltung von Hochstift und Bistum konzentriert waren. Das Domkapitel war ihnen dabei in aller Regel eng verbunden.
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Der Historiker Andreas Klimm berichtet in einem Online-Vortrag ausführlich über seine Forschungen zum Chartularium magnum.